Performative TRANSPARTIZIPLINARITÄT - Partizipation und Transdisziplinarität geben sich das Ja-Wort
Performative TRANSPARTIZIPLINARITÄT
Partizipation und Transdisziplinarität geben sich das Ja-Wort
– Ein Drama in 3 Akten –
Zum Anlass der 1. Jahrestagung der GTPF reservierten wir einen Tisch im World Café und schickten die personifizierten Verkörperungen von Partizipation und Transdisziplinarität auf ein Blind Date. Zur Vogelhochzeit im Vogelnest ging es zu Tisch mit Praxis, Programmatik und Strategie – und das Drama der TRANSPARTIZIPLINARITÄT nahm seinen Lauf...
Akt I: Die Praxis partizipativer und transdisziplinärer Zusammenkunft
Common Ground identifizieren: Was macht Partizipation und Transdisziplinarität in der Praxis aus? Welche Eigenschaften bringen Partizipation und Transdisziplinarität mit an den Tisch?
In der Praxis begab es sich, dass sich die verkörperte Partizipation und Transdisziplinarität am Tisch begegneten. Beide unzufrieden in ihrem Lebens- bzw. Forschungsalltag, hatten sie im Vorfeld Zerstreuung beim Online-Dating gesucht. Nachdem der Algorithmus sie überraschend als zusammenpassend gematcht hatte, schrieben sie ein bisschen hin und her und checkten ihre Grundbedürfnisse ab. Während die Partizipation sich gar nicht bewusst war, dass sie überhaupt auf der Suche nach einem neuen Partner war – rein oberflächlich war sie doch recht zufrieden mit sich – war die Transdisziplinarität auf der Suche nach etwas Besonderem und sah die Chancen ihrer Exzellenzstrategie mit der Partizipation steigen. Sie musste es nur hinkriegen, ihr klarzumachen, dass sie wirklich ganz viele Probleme hat, für die sie wiederum die Lösung sein könnte. Die Partizipation – von Natur aus schnell dabei – machte mit und war fasziniert von der vielfältigen Persönlichkeit dieser Transdisziplinarität, die multiple Charakterzüge und Wissensschätze unterschiedlicher Disziplinen in sich zu vereinen schien. Wenn sie mitmachte, könnte sie mit ihr sowohl interessante Ausflüge in die Wissenschaft als auch in die Wirtschaft machen. Ohne dass sie sich eigentlich richtig kannten, ging es also blitzverliebt in der Praxis gleich zur Sache. Die von den anderen Gästen im World Café nicht zu leugnende Anziehung zwischen beiden, gipfelte nach dem ein oder anderen Getränk in einem ersten unverbindlichen One-Night-Stand im Bauwagen.
Akt II: Die Programmatik partizipativer und transdisziplinarer Beziehungen
Tiefer einsteigen: Was trennt Partizipativität und Transdisziplinarität voneinander? Was vergemeinschaftet sie? Wo gibt es Reibungspunkte, wo gehen beide Forschungs- und Lehrformate Hand in Hand?
Nach dem 1. Akt herrschte wie so oft erst einmal Katerstimmung und beide haderten: Was finden wir überhaupt gut aneinander, stört mich nicht auch so Einiges an dem anderen, reichen die gemeinsamen Interessen, damit aus der Liaison eine neuer Forschungszugang werden kann?
Um die Frage zu klären, ob sie auf ein zweites Date gehen sollten und welcher Art dies programmatisch auszugestalten sei, um die ersten zarten Bande zu verfestigen, war schnell klar, sie brauchten Hilfe von der Community. Kurzerhand beriefen sie ein Treffen ihrer wichtigsten Freund:innen aus der Zivilgesellschaft, nahestehender Akteur:innen aus dem Berufsumfeld und Fürsprecher:innen sowie Skeptiker:innen aus dem Kreise der Familie ein, um eine Außensicht auf die sich anbahnende Beziehung zu erhalten.
Bereits in dieser Phase war also klar, sie brauchten Gesellschaft und zwar eine vom Fach. Zufällig hatte sich im Vogelnest ein Schwarm GTPFler:innen niedergelassen, von denen sich Partizipation und Transdisziplinarität Rat einholten, um eine Programmatik für ein mögliches zweites Date aufs Gleis zu setzen. In der mit Rat zur Seite stehenden Gesellschaft: ein Professor und seine Doktorandin, wissenschaftliche Dienstleister:innen, Jurist:innen, die Wirtschaft, ein (Privat-)Dozent, ein Politiker, die Tradition, Verwaltung, die Familie, die Innovation, das Unipräsidium, eine Förderinstitution, Praktiker:innen, ein Student, ein Nachbar. In ihrer Diskussion der passenden Umgebung, des Ambientes, Genres, der Preisklasse und dem Zeitpunkt des zweiten Dates ging es hoch her, zeigten sich Partizipation und Transdisziplinarität doch in vielen Bereichen komplementär. Was den einen begeisterte, war für den anderen uninteressant. Während sich die Transdisziplinarität fragte, was denn für sie an Mehrwert außer mehr Arbeit in einer Beziehung mit der Partizipation steckte, wirkte die Partizipation stellenweise vergnügungssüchtig, war nur dabei, weil es mal was anderes sei, verlor schnell auch wieder das Interesse und war sich insgesamt unsicher, ob sie sich für längere Zeit an Transdisziplinarität binden sollte.
Nachdem die beiden aber immerhin optisch in den Augen vieler Anwesenden als ein vielversprechendes Paar eingestuft wurden, erarbeiteten die beteiligten Akteure eine Programmatik: Was brauchen die beiden, um in Stimmung zu kommen, damit die Liaison eine dauerhafte Zukunft hat? Wie könnten sie zusammenleben, was teilen sie, was trennt sie, was wären gemeinsame Forschungsaktivitäten? Nachdem zahlreiche Hinweise auf vernünftige Gründe für die Beziehung vorgebracht wurden, die Leidenschaft damit aber erstickt wurde, musste die Programmatik dafür sorgen, dass das Ganze nicht in einer traditionellen Vernunftehe endete. Wo war die Innovation in dieser Beziehung?
Viele der Stakeholder redeten der Partizipation gut zu und führten erneut die Vorteile der weitreichenden, vielfältigen, mit Ressourcen ausgestatteten Transdisziplinarität vor Augen. Sollte Transdisziplinarität etwa doch die Lösung ihres Beziehungsdilemmas sein? Alle vorherigen Einlassungen mit der Wissenschaft waren kläglich gescheitert. Aber braucht sie die Transdisziplinarität wirklich zu ihrem Glück? Die Transdisziplinarität will immer bestimmen und trifft für die Partizipation am Ende entgegen des Versprechens der Augenhöhe ständig die wichtigen Entscheidungen, Partizipation soll immer alles mitmachen. Außerdem hockt diese Transdisziplinarität doch allzu oft auf dem praxisentlasteten Lehnstuhl, tut dynamischer als sie ist und lässt die Partizipation allzu oft für gesellschaftliche Relevanz und Sympathie sorgen.
Akt III: Die Strategie zur TRANSPARTIZIPLINARITÄT
Nach vorne gehen: Hinter welchem Thema können sich transdisziplinäre und partizipative Forscher:innen versammeln, um performativ Transpartiziplinarität hervorzubringen und wie könnte eine entsprechende Forschungsgemeinschaft aussehen?
Entgegen den Erwartungen von Tradition, Disziplinarität, Förderinstitution, des Professors oder der Verwaltung, verlief das zweite Date sehr verbindend. Partizipation und Transdisziplinarität finden sich sowohl aus Vernunft- als auch aus Herzensgründen in einer festen Beziehung wieder und entscheiden nicht nur zusammenzuziehen, sondern sich eine dauerhafte Form zu geben. Das Aufgebot der beiden Familien wird bestellt und die Vermählung offiziell bei der GTPF mit einem Aushang bekannt gegeben.
Aber wie kann eine traditionelle Ehe verhindert werden, die mit Zwängen behaftet nach kurzer Zeit der Steuervorteile wieder geschieden wird? Und wie kann andererseits ohne eine traditionelle Ehe dennoch wissenschaftlicher Nachwuchs gefördert werden?
Dies bedarf einer ausgeklügelten Strategie: Die Freund:innen und Schlüsselfiguren der programmatischen Beziehungspraxis von Partizipation und Transdisziplinarität werden erneut um den Tisch versammelt und hecken gemeinsam eine Vermählungsstrategie aus. Schnell werden sie sich einig: dem Wesen und Lebensstil der beiden entspricht viel mehr eine polyamoröse Patchwork-Familie, eine mobile WG auf einem Bauwagenplatz vor dem gemeinsamen Horizont der Transformation. Das scheint die Übergangslösung bis zur endgültigen Institutionalisierung, in der beide in der Synthese gleichberechtigt mit einer Stimme sprechen können.
Die Tradition und Vertreter:innen etablierter akademischer Zirkel gefällt das gar nicht, sie strafen die Hochzeitsvorbereitungen mit Verachtung, torpedieren sie gemeinsam mit der Verwaltung. Unter welchem Namen soll das Ganze denn später laufen? Wer gibt seinen Namen auf, die Partizipation oder die Transdisziplinarität? wer geht mit den Kindern in Elternzeit? Und wer finanziert so eine Disziplinlosigkeit auch noch? Kopfschütteln.
Die Wirtschaft lässt sich für diese Hochzeit allerdings nicht zweimal bitten, denn sie verspricht sich Gewinne von der Verbindung. Der Professor hält sich in der Verfolgung der Hochzeitsstrategie skeptisch zurück, sorgt sich, dass bei dem ganzen Trubel die Karriereleiter wackeln könnte. Er macht kurzerhand seine Doktorandin zur Wedding-Planerin, denn die hat mit ihrem Stellenanteil von 65% schließlich noch nicht genug zu tun und weiß sowieso nicht, wofür ihre Qualifikationsarbeit sie eigentlich qualifizieren soll. Dann doch gleich auf zahlreiche Pferde gleichzeitig setzen und zwischen den Sprossen unterschiedlicher Karriereleitern balancieren.
Am Ende scheitert die Hochzeitsstrategie noch beinahe am Beitrag der Jurist:in, denn der Brandschutz müsse eingehalten werden, so dass die Feuerschlucker-Akrobatikgruppe, die pures Insta-Gold für die WissKom gewesen wäre, kurzerhand gestrichen wird. Die Doktorandin zaubert nach einer Nachtschicht stattdessen noch einen Lokalpolitiker aus dem Hut, der ohnehin bei jeder Hochzeit mit am Tisch sitzen will, sich im Gegenzug aber wahlkampfwirksame Handlungsempfehlungen verspricht, deren Ausarbeitung die Nachwuchs-Wedding-Planerin einfach auch noch übernimmt.
Schließlich brauchte es noch Menschen, die die Vermählung bezeugen. Zur Unterstützung eilend begibt sich die Transdisziplinäre Didaktik mit an den Traualtar. Fehlt nur noch eine würdige und offiziell berechtigte Amts- und Würdenträgerin, um den performativen Akt der Ehe rechtmäßig zu vollziehen. Eine bessere fachlich wie gesellschaftlich anerkannte Standesbeamtin konnte mit der Vorsitzenden der GTPF nicht gefunden werden. Sie übernahm die Trauung in Wissenschaftsfreiheit mit Amt und Würden im Rahmen des Abschlussplenums der 1. Jahrestagung der GTPF vor versammelter Familie.
Mit dem Erklingen des Hochzeitsmarsches zieht das Brautpaar, geführt von den Trauzeug:innen, in die heilige Halle des Öko-Hauses ein. Es herrscht eine erwartungsvolle Stille. Die Vorsitzende eröffnet die Zeremonie mit den feierlichen Worten: „Wir haben uns heute hier versammelt, um die dauerhafte Verbindung zwischen der Transdisziplinarität und der Partizipation nicht nur in Worten, sondern mit unseren Taten zu vollziehen“. Als sie schließlich die alles entscheidende Frage stellt, ist die Spannung im Raum körperlich spürbar: „Wenn jemand der Anwesenden etwas gegen diese Verbindung einzuwenden hat, möge er oder sie jetzt sprechen oder auf ewig schweigen.“ Die Tradition schnauft daraufhin hörbar verächtlich und verlässt den Raum, da hallt das Wort der Disziplin in den Raum: „Wie stellt man sich das denn mit dem Nachwuchs vor? Sollen meine disziplinierten etwa mit euren chaotischen Blagen spielen und sozialisiert werden? Wo kommen wir denn da hin!?“ Ohne Antwort schnappt sich die Partizipation zwei der schönen Künste und nimmt sie an der Hand mit vor den Altar. Die Innovation stellt sich der Transdisziplinarität stärkend zur Seite. Von dort aus halten sie gemeinsam sowohl die Tradition als auch die Disziplinarität in Schach.
Unter Bezeugung der Transdisziplinären Didaktik werden, nachdem sich der Tumult gelegt hat, die Ringe unter allen fünf Beteiligten getauscht und die Vorsitzende erklärt Kraft ihres Amtes unter dem tosenden Applaus der Gesellschaftsmitglieder die Transdisziplinarität, die schönen Künste, die Innovation und die Partizipation zu einer polyamorösen queeren transpartiziplinären Transformationsgemeinschaft. „Hiermit erkläre ich euch zu TRANSPARTIZIPLINARITÄT!“ Der Akt ist vollzogen.
... Die Flitterwochen verbrachte die performative Gemeinschaft fast schon gewohnt und dennoch tastend in der nächsten Gesellschaft ...
Epilog
Mit dieser performativen Vermählung bringt die AG Performative Soziologie in der GTPF eine kreative und immersive Praxis hervor, die die Grenzen zwischen verschiedenen Forschungsansätzen und gesellschaftlichen Akteuren im Tun statt im Reden überwindet. Die Teilnehmenden wurden in der performativen Inszenierung des transpartiziplinären Dramas in 3 Akten zu Tisch gebeten und brachten Verkörperungen von Praxis, Programmatik und Strategie partizipativer und transdisziplinärer Forschung in Beziehung zueinander, machten ihre Konflikte und Gemeinsamkeiten erfahrbar und erspielten sich im Zuge der aufeinander bezogenen, wechselseitigen Transformation von Transdisziplinarität und Partizipation zur TRANSPARTIZIPLINARITÄT neue Perspektiven auf die Produktivität der Verbindung, die voneinander Getrenntes miteinander ins Gespräch brachte und um den spielerischen Stammtisch versammelte. In den verkörperten Rollen führte das letztlich undramatische Drama vor Augen, wie innovative Herangehensweisen transdisziplinäre und partizipative Forschung stärken können. Die drei Diskussions- und Spielrunden zielten darauf ab, gemeinsame Grundlagen zu identifizieren, Herausforderungen und Synergien zu erkunden, sowie konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für eine performative Transpartiziplinarität zu entwickeln.
(Fotos: Thorsten Philipp)